Einsam wie eine Eule … bin ich geworden.

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So, liebe Leserinnen, liebe Leser, beschreibt der Beter des 102 Psalms, Motivpsalm dieser Passionsandacht, sein Empfinden, schildert Gott im Bild der Eule seine Klage. Fühlt er sich doch wie ein schwermütiger Vogel, der in Trübsinn versunken ist. Sitzt zwischen zerfallenen Ruinen als einem Spiegelbild seines persönlichen Kummers. Einsam, traurig und unglücklich sieht er sich schlaflos wie der Nachtvogel Eule in der Einöde.

Vielen mag er dieser Tage aus dem Herzen sprechen: Einschränkungen von persönlichen und dienstlichen Kontakten; beklagenswerte Freiheitseinbußen; traurig über Singverbote in Chören und Gottesdiensten; unglücklich über zahlreiche Beschränkungen des öffentlichen Lebens – und Vieles mehr!

Einsam wie eine Eule … bin ich geworden.

Dabei inspiriert die Eule wie kaum ein anderer Vogel weltweit und seit alters her Menschen als mythologische Interpretation von Naturbeobachtung. Abhängig von lokalen Gegebenheiten vereint sie auf sich die starken Gegensätze von Tod und Geburt, Glück und Unglück.

Wohl durch ihren melancholischen, kreischenden Ruf in nächtlicher Dunkelheit mag die Eule als wehklagendes Motiv auch in Luthers Übersetzung dieser Verse eingezogen sein.

Zum Glück ist die Eule aber auch ein starkes Bild für Hoffnung und die positive Kraft von Weisheit. Im Alten Testament steht sie sogar für die weibliche Schöpfungshilfe Gottes. Eine barmherzige und zugleich durchdringende Kraft, die auch Christen anleiten kann, durch das

erlebte Dunkel von Passion hindurch, auch schon das Helle und Neue von Ostern zu sehen. Auch in der Rolle einer liebevollen, weisen Muttergestalt kündigt sie in Kinderbüchern und Cartoons Veränderung an. Symbolisiert Lebensübergänge – für uns wie den klagenden Psalmbeter.

Folgen wir der positiven Allegorie der Eule, brauchen wir nicht beim Klagen stehenbleiben. Dann können wir, wie der Psalmdichter abschließend, auch Worte für ein Hoffnungsgebet finden. Zunächst gerichtet an Gott, der sein Leid zunächst zugelassen hat. Ihn dennoch in seiner Not hört und ihm in seiner erlebten Ohnmacht göttliche Hilfe und Begleitung schenkt.

Zudem sind wir angeleitet, den Klageworten ein hoffendes ABER entgegenzustellen. Ein starkes ABER, das auf die letztgültige Dimension Gottes hinweist:

Gott, in mir ist es finster, ABER bei dir ist Licht.

Ich bin einsam, ABER du verlässt mich nicht.

Ich bin kleinmütig, ABER bei dir ist Frieden.

In mir ist Bitterkeit, ABER bei dir ist Geduld.

Ich verstehe deine Wege nicht, ABER du weißt den rechten Weg für mich.

Im Sinne solcher Hoffnung beenden sowohl der Psalmist als auch Dietrich Bonhoeffer zuversichtlich ihre Gebetszeilen.

Und das ist auch unsere Chance! Das ist der Wind der Veränderung! Er geleitet uns durch die Passionswochen auf Karfreitag zu. Und dieser Wind der Veränderung und des Neubeginns wird uns aus dem leeren Grab des Auferstandenen zu Ostern entgegenwehen.

Auch dafür steht die Eule: schon sehen, was andere (noch) nicht sehen (können). Ostern! Neubeginn! Anfang! Frühling!

Füllen wir mit Bonhoeffer zuversichtlich, im Vertrauen auf Gottes Segen diese pandemischen Tage mit Leben. Wir sind nicht allein! Wir sind von weihnachtlicher Engelsbotschaft SCHON Bestärkte und gehen, göttlich geleitet, auf Ostern zu. Wir gleichen NICHT NUR einem Vogel in der Wüste, einer EULE in zerstörten Ruinen. Nein. Und auch dafür: Gott sei Dank!                                                                                                                                                                                    Ihr Pfr. Steffen Richter