Querdenker…!?

Vielerorts hört man: Querdenker! Spätestens seit den aktuellen Coronatagen ist dieses Wort in Politik und Medien zum Schimpfwort geworden – auch durch manches inakzeptable Handeln und Reden dieser sogenannten Denker selbst verursacht.

Dabei beschreibt ‚querdenken‘ zunächst eine positive Charaktereigenschaft: Hinterfragen, eigenständig Denken gegen den Zeitgeist. Sich ein eigenes Bild machen gegen den breiten Strom der Meinungen und Vorgaben. Und was wäre aus der friedlichen Revolution 1989 in der DDR geworden, wenn wir damals (und viele Jahre zuvor) nicht quergedacht und danach gehandelt hätten?

Natürlich erlebt sich ein Querdenker missverstanden, unakzeptiert. Sieht sich schnell, Vorwürfen und Maßreglungen ausgesetzt, deren Denkvorgaben und ideologischen Glaubenslinien er nicht folgt. Zweifelt am vielstimmigen Mainstream und findet sich oft isoliert wieder.

War der Apostel Thomas auch so ein Querdenker? „Wenn ich nicht die Wundmale [Jesu] mit eigenen Augen sehe und mit meinen Händen fühle, glaub‘ ich‘s nicht!“ Also doch!

Thomas erscheint entgegen den prominenteren Petrus, Jakobus oder Johannes eher unscheinbar. Ist er wohl einer von Zwillingen, mag er doch ein Einzelgänger gewesen sein. Einer, der sich seinen eigenen Reim auf die dramatischen Ereignisse des Karfreitags machen wollte. Brauchte er für sich Zeit, um das Ganze zu verarbeiten?

Als er zurückkehrt, stürmen die anderen Jünger förmlich auf ihn ein: „Mensch Thomas, wo hast du gesteckt? Der Herr ist uns erschienen. Wir haben ihn gesehen.“

Thomas bleibt skeptisch. Er traut der Sache nicht. Hatte er doch in jüngster Vergangenheit z.B. vom A-Promi Petrus ganz andere Töne gehört: Er wolle Jesus bin in den Tod folgen. Und nun steht er vor ihm und redet auf ihn ein. Ein Zweifler, der Thomas? Ja! Aber gleich ein Querdenker?

Haben wir nicht alle Momente, in denen wir zweifeln, z.B. an den politischen Verlautbarungen zu den Coronamaßnahmen oder an den Beurteilungen anderer? Ja klar! Und dennoch ist dies kein Grund zu „ver-zweifeln“. Ist es doch nur eine Beschreibung von Wirklichkeit neben anderen, eine Meinung neben anderen. Manchmal ist es nicht leicht, dem Zeitgeist entgegenzudenken.

Thomas steht so als Sinnbild für uns, steht als Modell für uns Nachgeborenen. Wir, die wir mit der Verheißung: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!“ umgehen müssen. Wir, die wir nicht (mehr) sehen (können), und doch glauben!?

So lade ich Sie ein, den Spuren des andersdenkenden Thomas im Johannes-Evangelium Kap. 20, Verse 24-29 zu folgen. Dort werden sie einem begegnen, der zu den engsten Vertrauten Jesu gehörte – ohne A-Promi gewesen zu sein. Einer, der sich trotzdem den Luxus erlaubte zu Zweifeln; Querzudenken auch gegen den Vorwurf, nicht ungläubig zu sein, sondern gläubig.

Schlussendlich steht Thomas für uns auch als Nachfolgende mit seinem Tasten und Suchen, als ein neu Sehender und Fühlender nach dem Allernähesten und Intimsten, den offenen Wunden Jesu. Und ebenso für uns würde er sagen: Einige Dinge muss man glauben, um sie sehen zu können. Nämlich Jesus: „Mein Herr und mein Gott!“

Herzlichst Ihr Pfr. Steffen Richter